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Weissrussland

Aufarbeitung des Holocaust

In der Nähe von Minsk befand sich mit Trostenez und der Erschiessungsstätte Blagowschtschina das grösste Vernichtungslager der Nazis in der Sowjetunion. Trostenez blieb lange Zeit ein weisser Fleck auf der Erinnerungskarte der Sowjetrepublik und danach der Republik Belarus. Erst jüngere Initiativen ändern dies.

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In Trostenez wurden Jüdinnen und Juden aus dem Minsker Ghetto, aus Berlin, Hamburg, Bremen, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Wien und Theresienstadt, aber auch sowjetische Kriegsgefangene und weissrussische Partisanen umgebracht. Weder die Sowjetrepublik noch die Republik Belarus unternahmen die Aufarbeitung dieser Verbrechen. Auch andere Vernichtungsorte und Ghettos wurden «vergessen». Juden wurden an offiziellen Gedenkstätten für die Kriegsopfer nicht separat erwähnt. Auftrieb gaben der jüdischen Erinnerungskultur erst private Initiativen, teilweise mit Unterstützung aus Westeuropa.

 

Ein Belarusse, der sein Lebenswerk der architektonischen und künstlerischen Dokumentation des Holocaust in Belarus gewidmet hat, war der jüdische Architekt Leonid Lewin. Nach ihm ist die «Geschichtswerkstatt» benannt, eine Forschungs-, Dokumentations- und Gedenkstelle auf dem Gelände des ehemaligen Minsker Ghettos.

 

Leonid Lewin war ein unermüdlicher Kämpfer für den Wiederaufbau der jüdischen Kultur in Belarus und bis zu seinem Tode im Jahr 2014 Präsident der «Union of Belarusian Jewish Public Associations and Communities» UBJOC, früher auch Leiter von «Chesed-Rachmim» in Minsk. Seine Tochter Galina Lewina setzt sein Lebenswerk fort.

 

Die Vision eines Holocaustmuseums in Minsk ist in unserer Partnerorganisation, der UBJOC, ein wichtiges Thema. Allerdings ist die historische Aufarbeitung des Holocaust in Belarus mit öffentlicher Unterstützung weiterhin schwierig, denn in der Erinnerungskultur des Staates bleibt das nationale Leiden im Vordergrund.

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2018 halfen wir mit, die Wanderausstellung «Vernichtungsort Malyj Trostenez – Geschichte und Erinnerung» nach Basel zu holen. Sie war vom 7. bis 25. Mai im Kollegienhaus der Universität Basel zu sehen. Das Team von ajs und Gabriel Heim, dessen Grossmutter in Malyj Trostenez ermordet wurde, betonten bei der Vernissage die Bedeutung einer solchen Ausstellung für die Schweiz und Europa: Bis heute stellt man sich oft irrtümlicherweise die Vernichtungsmaschinerie der Nazis bis an die Ost-Grenze Polens reichend vor. Dabei gilt Malyj Trostenez heute als das grösste Vernichtungslager auf dem ehemaligen besetzten Gebiet der Sowjetunion.

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Quellen und weiterführende Informationen:

 

Geschichtswerkstatt Minsk «Leonid Lewin», http://gwminsk.com/de

Zeitzeugenarchiv der Minsker Geschichtswerkstatt, http://zeitzeugenarchiv.gwminsk.com/de

Internationale Bildungs-und Begegnungsstätte «Johannes Rau» Minsk, http://ibb-minsk.by/de

Gedenkstättenportal zu Orten der Erinnerung in Europa, https://www.memorialmuseums.org/laender/view/29/Wei%C3%9Frussland

Artikel über die Einweihung der Gedenkstätte Trostenez im Deutschlandfunk, 29.06.2018, https://www.deutschlandfunk.de/neue-holocaust-gedenkstaette-trostenez-endlich-ein-ort-zum.1773.de.html?dram:article_id=421606

Sendung über Trostenez im Deutschlandfunk, 21.06.2016, http://www.deutschlandfunk.de/die-schule-von-trostenez-ueber-erinnern-und-vergessen-in.1247.de.html?dram:article_id=354037

Gerlach, Christian: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944. Hamburg  1998, ausführliche Rezension auf https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-200

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