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Kleingemeinden

Besuch in Wizebsk (Witebsk)

Im Jahr 2018 gilt unser Besuch der Gemeinde von Wizebsk (Witebsk), wo Marc Chagall geboren wurde. Wir verbringen ein ganzes Wochenende dort und erhalten einen guten Einblick in das Gemeindeleben.

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Rav Malkiel, der Rabbiner der orthodoxen Gemeinde, erzählt uns, dass in der Stadt mit rund 350'000 Menschen um die 4000 Jüdinnen und Juden leben; halachisch gesehen sind es knapp 1000. Am letzten Lag Baomer konnte erstmals seit vielen Generationen eine jüdische Hochzeit in der neuen Synagoge «Ohel David» gefeiert werden. Der Bau der Synagoge wurde vor einem Jahr abgeschlossen und vom Vorsitzenden Leonid Tomchin finanziert. Der Bau beeindruckt mit seinem offenen, hellen und modernen Raum und seiner feinen Einrichtung. Gegenüber des Toraschreins hängen Reproduktionen von Chagalls Fenstern zu den zwölf Stämmen Israels. Wir nehmen an den Gottesdiensten am Freitagabend und Schabbatmorgen teil. Am Freitagabend ist ein Minjan vorhanden, und einige wenige Frauen und einzelne Jugendliche sind ebenfalls anwesend. An den Chagim kamen schon an die hundert Personen in die Synagoge; auch eine Brit Mila und eine Bar Mizwa konnten gefeiert werden.

 

Neben der orthodoxen Gemeinde operiert auch die jüdische Stadtgemeinde mit Nahum Zacherowitsch als Vorsitzendem und bietet Fürsorge, Sozialarbeit, einen Kinder- und Jugendtreffpunkt sowie kulturelle Anlässe an. Diese Gemeinde arbeitet in den Räumlichkeiten der alten Synagoge sowie in einem benachbarten Haus, wo auch Mitarbeitende von «Joint» und «Chesed-Rachamim» ihre Büros haben. Die Grenzen und Übergänge zwischen allen Institutionen scheinen fliessend zu sein, und für uns ist es schwer zu überblicken, wer wofür genau zuständig ist. Wir haben den Eindruck, dass alle allen helfen und sich gegenseitig unterstützen.

 

Interessante Entwicklungen bringen junge Studierende aus Israel, die zum Studium in der Stadt leben. Nahum Zacherowitschs junger Enkel begleitet uns durch die Stadt und berichtet über die Tätigkeiten der Gemeinde und das jüdische Leben in der Stadt. Am Schabbat sind wir mehrmals zum Essen eingeladen und können uns mit den anwesenden Mitgliedern auf Englisch, Deutsch und Ivrit unterhalten. Die häufig schwierigen Lebensumstände der Menschen sind bewegend. Die Gemeinde operiert ohne Budget mit sehr bescheidenen und knappen Mitteln und bietet ihren Mitgliedern trotzdem eine eindrückliche Vielfalt an Aktivitäten:

 

Freitagabends wird regelmässig ein Essen angeboten. Bis zu 30 Personen nehmen daran teil. Diese bringen in Einzelfällen auch nicht-jüdische Bekannte mit, welche sich für die jüdische Kultur interessieren.

 

Für Vorschulkinder wird die Spielgruppe «Masal Tov» angeboten. Jeden Sonntag zwischen 10 und 12 Uhr werden dort drei- bis sechsjährige Kinder betreut.

Im Kunstatelier der Gemeinde werden Marionetten zu jüdischen Themen und Feiertagen angefertigt. Durch die Bastelarbeiten lernen die Teilnehmenden die Geschichten zu Chanukka, Megilat Esther und mehr.

 

Die Gemeindebibliothek bietet jüdische Literatur sowie eine Zeitung zu jüdischen Themen mit Berichten aus Israel an. Das Journal «Mischpacha» wird zudem zweimal jährlich von Arkady Shulmann herausgegeben. Arkady ist Journalist und Autor von mehreren Büchern zum Thema Holocaust in Weissrussland. Er ist eine unerschöpfliche Quelle für Informationen zur jüdischen Geschichte der Stadt und begleitet uns bei einem Stadtrundgang.

 

In den Räumlichkeiten der Gemeinde befindet sich auch «Chesed David’s» (das ist der lokale Name von «Chesed» in Wizebsk) mit Küche. Dort können nicht-orthodoxe Mitglieder das Schabbatessen zubereiten und einnehmen. Der Mehrzweckraum für alle Veranstaltungen der Gemeinde wird momentan renoviert. Der Personalaufenthaltsraum wird auch vom Computerclub benutzt.

 

Die Jugend hat ihren eigenen Raum und Treffpunkt für ihren «Rimon Klub» (Granatapfel-Club). Natascha, eine sehr engagierte Mitarbeiterin von «Joint», die uns bei jeder Gelegenheit und bei jeder Frage gleich zur Seite steht, erzählt von Wettbewerben, die speziell auf Jugendliche zugeschnitten sind und sie zur Teilnahme animieren. Während sie zu Beginn ihrer Aktivitäten einzelne Familien telefonisch kontaktieren und mehrfach darum bitten musste, zur Gemeinde zu kommen, könne sie heute die zunehmende Anzahl von interessierten Jugendlichen aufgrund der knappen Ressourcen kaum noch bewältigen. Zum Abschied schenken uns Vertreter des Jugend-Clubs eine Tasse und einen Schlüsselanhänger mit ihrem Granatapfel-Logo.

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